Georges Bizet
Carmen
Theater Regensburg
Premiere: 24. September 2016
Musikalische Leitung | Tetsuro Ban |
Inszenierung | Hendrik Müller |
Bühne und Kostüme | Claudia Doderer |
Dramaturgie | Ruth Zapf |
Carmen | Vera Egorova / Vera Semieniuk |
Don José | Yinjia Gong |
Micaëla | Anna Pisareva / Theodora Varga |
Escamillo | Seymur Karimov / Adam Kruzel |
Zuniga | Mario Klein / Jongmin Yoon |
Frasquita | Martina Fender |
Mercédès | Vera Semieniuk / Beata Marti |
Le Dancaïre / Moralès | Matthias Wölbitsch / Hugo LaPorte |
Le Remendado | Matthias Laferi / Angelo Pollak |
La Mère / Lillas Pastia | Doris Dubiel |
nach 17 Vorstellungen nur noch viermal am 3., 12. und 20. April sowie am 9. Mai 2017
"Carmen" wird bei Hendrik Müller die packende Geschichte zweier Außenseiter, deren Charaktere er plastisch mit neuen Akzenten herausarbeitet. Das leuchtet szenisch unmittelbar ein und ist stark aus der Musik heraus gestaltet. [...] Der Inszenierung steht ein ebenso stringentes musikalisches Konzept gegenüber und wird sicher noch für einiges an Gesprächsstoff sorgen.
[orpheus, Nov/Dez 2016]
Sehr heftige, kaum auszuhaltende Szenen werden konterkariert durch Anklänge an eine Revue, die sich durch die Inszenierung ziehen. [...] Das wirkt nicht glatt und perfekt, sondern hat Ecken und Kanten.
[Claudia Böckel - Mittelbayerische Zeitung, 26. September 2016]
Eine sehr harte, aggressive Interpretation.
[Peter Jungblut - Bayerischer Rundfunk, 26. September 2016]
Hendrik Müllers Inszenierung von George Bizets Oper ist ein fulminantes Erlebnis. [...] Noch während der Ouvertüre wird Carmen brutal vergewaltigt; eine Szene später gibt es einen einvernehmlichen, aber dennoch bizarren Kopulationsakt unter der Madonnenstatue. Sexuelle Gewalt und Machtausübung sind es, die die Welt von Don José, Carmen und Escamillo prägen. Müller gesteht seiner Carmen ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein zu. Sie versucht eine unabhängige Frau sein, wofür es keine Kitschklischees von kastagnettenklappernder Verruchtheit braucht. Doch diese Freiheit, die sie immer wieder propagiert, ist eine eingebildete: Die von Männerphantasien und Gewalt dominierte Welt, in der sie lebt, duldet ihr Aufbegehren nicht. Von Anfang an wird sie emotional und körperlich missbraucht. Was zunächst danach aussieht, als wäre allein für die Frau die Opferrolle reserviert, bricht bei der Psychologie von Don José auf: Mit ausgeprägtem Ödipuskomplex irrt er durchs Leben und versucht in Regelerfüllung Halt zu finden. Was als Zwangsstörung beginnt, endet schließlich in einer ausgewachsenen Psychose: Will sich Carmen ihm nicht unterwerfen – und nur das bedeutet „lieben“ in dieser Bizet-Interpretation –, muss er sie töten. Nicht so sehr aus Besitzwahn oder sexueller Begierde, sondern weil sie die Ordnung seines mühsam zusammengezimmerten Weltbildes stört. Da ihr Tod an der existenziellen Verzweiflung von Don José nichts ändert, bleibt diesem nur der Selbstmord. [...] Hier gibt es keine Gewinner, nur Verlierer einer von Raubtierkapitalismus geprägten Gesellschaft.
[Judith Werner - samtundselters.de, 29. September 2016]
Faszinierende "Carmen"-Psychogramme
Am Theater Regensburg hat Hendrik Müller aus Georges Bizets Welterfolg ein faszinierendes Charakterporträt gemacht: das eines jungen Tölpels vom Dorf, der zum Militär in die Stadt kommt, macht, was man ihm sagt, und nicht weiß, was er selber will. [...] Am Ende wird Carmen ihm noch das Messer aufdrängen müssen, womit er sie dann ersticht – und sich selber gleich dazu die Kehle durchschneidet. [...]
Müller packt alles, was er für seine „Carmen“ braucht, in diesen ersten Akt hinein: das faschistoide Militär als Macho-Gang, die unterdrückte Sexualität und offene Brutalität, Liebe, die nur gegen Geld zu haben ist, eine vergewaltigte Carmen. [...] Man mag das gewohnte Spanien-Ambiente anfangs vermissen. Wenn sich die vier Akte zunehmend auf die José-Tragödie zuspitzen, akzeptiert man gerne die kahle Leere für Müllers Impetus. [...] Der schwache Mann zwischen starken Frauen: das hat Müller interessiert, und das bringt er interessant, am Ende faszinierend auf die Bühne.
[Uwe Mitsching - Bayerische Staatszeitung, 5. Oktober 2016]
Es gilt heutzutage, eine Produktion der "Carmen" auf die Beine zu stellen, die das Sujet vom überflüssigen Pomp entstaubt und dennoch die dramatische Substanz und damit die Fesselungskraft des Werks unbeeinträchtigt auf die Bühne bringt. Genau das ist Regisseur Hendrik Müller nun mit seiner Neuinszenierung hervorragend gelungen.
[Onetz.de, 28. September 2016]